Investorenbrief Juni 2022
Sehr geehrte Investierende und Freunde/Freundinnen von APUS Capital,
das haben wir sicher alle schon einmal erlebt: Man hat eine gute Idee und geht mit großem Enthusiasmus an ihre Umsetzung. Sei es eine Verbesserung an Produkten oder Abläufen beim Arbeitgeber, Renovierungen und Umbauten in den eigenen vier Wänden, eine Party oder der gemeinsame Urlaub mit Freunden. Relativ schnell merkt man aber, so einfach wie wir uns das vorgestellt haben, ist unsere Idee nicht umzusetzen. Viele Dinge, die man am Anfang nicht im Blick gehabt hat, stellen sich plötzlich als große, manchmal unüberwindbare Hürden heraus. Seien es rechtliche oder normbasierte Einschränkungen bei Änderungen an Produkten oder Prozessen beim Arbeitgeber, fehlende Materialien beziehungsweise nicht verfügbare Handwerker bei Renovierungen oder das Problem für alle Gäste einer Party, einen gemeinsamen Termin zu finden. Der Teufel steckt leider oft im Detail. Dabei kann es passieren, dass das Ergebnis nichts mehr oder nur noch wenig mit der ursprünglichen Intention zu tun hat.
Ein gutes Beispiel hierfür ist das 9-€-Ticket für den öffentlichen Nahverkehr. Eigentlich gut gemeint! Die Regierung wollte Pendler – und hiermit die hauptsächlich von den gestiegenen Kraftstoffkosten betroffenen Autofahrer – auf dem Weg zur Arbeit finanziell entlasten und gleichzeitig zum Umsteigen auf den öffentlichen Nahverkehr bewegen. Leider hat man damit den am meisten betroffenen Arbeitnehmern, die auf dem Land wohnen und größere Anfahrten zur Arbeit haben, nicht geholfen. Ganz einfach, da es oft keine oder nur äußerst spärliche Nahverkehrsanbindungen gibt und der Zeitaufwand für eine Wegstrecke nicht selten das Doppelte oder Vielfache einer Autofahrt beträgt. Da hilft das vorübergehende Billigangebot für eine Fahrkarte nur wenig. Wer bisher schon die öffentlichen Verkehrsmittel auf dem Weg zur Arbeit genutzt hat, freut sich zwar über die vorübergehende Fahrpreissenkung, findet aber dramatisch überfüllte Busse und Bahnen vor, da Rentner, Studenten und Schüler die billigen Tickets für Fahrten nutzen, die sie ohne das 9-€-Ticket nie gemacht hätten. Die 2,5 Mrd € an Kosten für das dreimonatige Sonderangebot hätte man mit Blick auf das Ziel, den Autoverkehr zu verringern, sicher besser für neue Züge, Busse, das Schienennetz und die Bahnhöfe eingesetzt.
Die Problematik, dass gut gemeinte und in ehrenvoller Absicht angestoßene Maßnahmen das eigentliche Ziel verfehlen, kennen wir im Anlagengeschäft nur allzu gut. Die Regulierungsflut der letzten Jahre hat für uns alle einen erheblichen zusätzlichen Aufwand verursacht. Ob sich für den Anleger, insbesondere den Privatkunden, damit tatsächlich immer Verbesserungen ergeben haben, darf zumindest bezweifelt werden.
Ein Feld, das bei Anlageentscheidungen enorm an Bedeutung gewonnen hat und von der Politik mit Vehemenz vorangetrieben wird, ist das Thema Nachhaltigkeit. Dass man beim Investieren ethische, soziale und insbesondere ökologische Aspekte beachten sollte, würde sicher jeder sofort unterschreiben, auch wir bei APUS Capital! So haben wir bereits bei unserer Unternehmensgründung Ausschlusskriterien festgelegt, bei deren Vorliegen wir von einem Investment absehen. Diese nachhaltige Investmentpolitik wird von uns aktiv „gelebt“, wodurch wir in der Selektion unserer Investments viele ESG-Risiken vermeiden. Mehr zu unseren Ausschlusskriterien finden Sie unter:
https://apuscapital.de/nachhaltigkeit/
Mit dem 2018 von der EU veröffentlichten „Aktionsplan zur Finanzierung nachhaltigen Wachstums“ hat das Thema nun eine völlig neue Bedeutung erlangt. Damit soll das Ziel eines nachhaltigeren, ökologischen und sozial verantwortlichen Finanzwesens erreicht werden. Hierzu wurden drei Teilziele definiert und die hierfür notwendigen Aktionen festgelegt.
Ziele und Aktionen des EU-Aktionsplans
Erste Schritte in Umsetzung der geplanten Aktionen wurden inzwischen getätigt. So wurde auch eine sogenannte „Taxonomie-Verordnung“ erlassen, die einheitliche Kriterien für eine nachhaltige Wirtschaftstätigkeit festlegen soll. Hierzu wurden unter anderem 6 Umweltziele bestimmt, für die man Bewertungskriterien definieren möchte:
- Klimaschutz
- Anpassung an den Klimawandel
- Nachhaltige Nutzung und Schutz von Wasser- und Meeresressourcen
- Übergang zu einer Kreislaufwirtschaft
- Vermeidung und Verminderung von Umweltverschmutzung
- Schutz und Wiederherstellung der Biodiversität und der Ökosysteme
Fondsgesellschaften, institutionelle Anleger und Unternehmen sind zudem verpflichtet, darüber zu informieren, inwieweit sie diese Ziele wie auch die Themen Social und Governance in ihre Tätigkeiten einbeziehen. Bei börsennotierten Gesellschaften mit mehr als 500 Mitarbeitern ist es mittlerweile Usus, Nachhaltigkeitsberichte im Rahmen ihrer Unternehmensberichterstattung zu veröffentlichen. Sie folgen der CSR (Corporate Sustainability Reporting Directive) aus dem Jahr 2017. Laut einer Entscheidung der EU-Kommission vom April 2021 werden diese Nachhaltigkeitsberichte ab nächstem Jahr dann im Lagebericht der Unternehmen veröffentlicht. In einer Novelle der CSR wird geregelt, dass ab 2024, also bereits für das Geschäftsjahr 2023 auch Unternehmen ab 250 Mitarbeiter für Transparenz in ESG-Belangen sorgen müssen. Die Datenlage zu den börsennotierten Unternehmen wird sich also in den kommenden Jahren deutlich verbessern.
So weit, so gut! Das Problem liegt aber wie immer in der praktischen Umsetzung. Die EU-Taxonomie-Verordnung kann bisher mit konkreteren Vorgaben nur für zwei der ökologischen Ziele helfen. Für die Mehrzahl der angestrebten Ziele stehen die konkreten Handlungsanweisungen und Bewertungskriterien noch aus.
Die berichtspflichtigen Unternehmen, Fondsgesellschaften und professionellen Anleger sehen sich daher dem Dilemma gegenüber, wie man der Offenlegungspflicht ohne konkrete Ausführungsbestimmungen nachkommt. Ein Großteil der zur Berichterstattung verpflichteten Marktteilnehmer greift daher auf ESG-Rating-Agenturen wie MSCI, ISS, Sustainalytics oder Gaïa zurück. Dieses „Outsourcing“ zu Experten macht sicher Sinn. Aber auch hier gibt es nach unserer Beobachtung in der praktischen Umsetzung noch zahlreiche ungelöste Fragen und verbesserungswürdige Vorgehensweisen:
- Die Einschätzungen und Kriterien sind je nach Rating-Agentur sehr unterschiedlich. So kann es vorkommen, dass das gleiche Unternehmen bei ISS ein Top-Rating erzielt und bei MSCI nahezu nicht investierbar ist oder vice versa. Hier ist aber Besserung in Sicht. Aufgrund von Initiativen bspw. des GDVs (Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft) zeichnet sich eine Harmonisierungsbewegung für eine Vereinheitlichung von ESG-Kriterien bei der Nachhaltigkeitsbeurteilung von Unternehmen ab
- Das Fehlen einheitlicher Kriterien erschwert auch den internationalen Vergleich von Unternehmen, zumal je nach Land andere Rating-Agenturen bevorzugt werden. Ist dies in Deutschland ISS, so greifen französische Unternehmen und auch Asset-Manager primär auf ihren lokalen Anbieter Gaïa zurück. Französische Fonds und deutsche Fonds mit der gleichen inhaltlichen Ausrichtung können daher unter ESG-Gesichtspunkten völlig unterschiedliche Inhalte aufweisen.
- Auch gibt es zum Teil sehr fragliche Interpretationen der ESG-Kriterien. Wenn zum Beispiel eine angelsächsische Rating-Agentur Familiengesellschaften mit einem Malus versieht, weil dort über lange Zeit das gleiche Management agiert und man dies unter Governance-Gesichtspunkten kritisch sieht, widerspricht dies jeglicher Erfahrung mit familiengeführten Unternehmen. Oft sind gerade Familiengesellschaften besonders gut geführte Unternehmen, da das Management insbesondere die langfristig erfolgreiche Entwicklung im Blick hat.
- Kleinere berichtspflichtige Unternehmen sind bei der Einschätzung durch ESG-Rating-Agenturen gleich in vielerlei Hinsicht benachteiligt. Zum einen werden große Gesellschaften bevorzugt geprüft, da die ESG-Rating-Agenturen dem sprunghaft gestiegenen Bedarf mit ihren Kapazitäten nicht Rechnung tragen können. Kleinere Gesellschaften haben kurzfristig häufig keine Chance, ein ESG-Rating zu erhalten. Zudem haben große Unternehmen die finanziellen Mittel, um große ESG-Teams aufzubauen, die den Agenturen die bestmöglichen Antworten auf ihre Fragen und Anforderungen liefern. Mittelständische Unternehmen mit nur einem ESG-Beauftragten können hierbei inhaltlich und fachlich nicht mithalten. Daher kommt es häufig zu einer suboptimalen Kommunikation der eigenen Aktivitäten und damit zu einer schlechteren Einstufung, auch wenn viele kleinere Gesellschaften vielleicht eine bessere Einstufung als ihre großen Konkurrenten verdient hätten. Wer sich als kleines Unternehmen, wie im Pharma- oder Chemiebereich, in einem Sektor mit zahlreichen Großunternehmen bewegt, hat es damit bei institutionellen Anlegern besonders schwer. Häufig setzen diese nämlich die sogenannte „Best in Class“-Regel ein. Das heißt, sie investieren jeweils in die nach ESG-Kriterien besten Unternehmen einer Branche. Die weiter hinten eingestuften kleineren Gesellschaften fallen damit häufig durch das Raster, was aufgrund der geringeren Anzahl an Investoren bei ihren Aktien im Vergleich zu größeren Wettbewerbern zu einer schlechteren Performance führen kann. Vereinfacht kann man sagen, es „gewinnen“ nicht die besten nachhaltigen Unternehmen, sondern die mit dem größeren ESG-„Marketing“-Team.
Dies alles zeigt, dass man auch nach Kategorie 8 oder 9 der EU-Offenlegungsverordnung eingestufte Fonds nur sehr bedingt vergleichen kann. Zumal auch die jeweiligen Fondsgesellschaften mehr oder weniger stringent bei der Umsetzung und Interpretation der Ergebnisse der Rating-Agenturen sind. Gerade große Häuser nutzen mit Blick auf den Marketingeffekt – ähnlich wie große Unternehmen beim Rating – ihre Manpower, um möglichst viele ihrer Produkte „nachhaltig zu machen“. Ähnliche Probleme gibt es offensichtlich auch in den USA. Vor diesem Hintergrund hat die amerikanische Börsenaufsicht SEC gerade einen neuen Regulierungsvorschlag veröffentlicht, mit dem sie die Einstufung von Fonds als nachhaltig vereinheitlichen will. Mit Blick auf die oben aufgezeigten Probleme sind einheitliche, konkrete Reglungen auch in Europa sicher dringend geboten. Dies gilt übrigens auch für die Sanktionen, wenn Unternehmen und Kapitalanlagegesellschaften die Publikationspflichten oder Taxonomie-Regeln verletzen. Hier obliegt es den nationalen Behörden „wirksame, verhältnismäßige und abschreckende Maßnahmen“ festzulegen.
Neben der reinen Umsetzung der mehr oder minder stringenten ESG-Regeln stellt sich auch die Frage, inwieweit ihre Auslegung an sich ändernde politische und wirtschaftliche Rahmenbedingungen angepasst werden muss. Ein gutes Beispiel hierfür sind die Auswirkungen des Ukraine-Krieges. Damit wurden russische Unternehmen und westliche Unternehmen mit großen russischen Aktivitäten über Nacht unter ESG-Gesichtspunkten nicht mehr investierbar. Zudem kam die berechtigte Diskussion auf, inwieweit man die Rüstungsindustrie nun deutlich positiver sehen müsste, da nur mit ihrer Hilfe Demokratie und Freiheit langfristig gesichert werden könnte. Ähnlich war es schon vor der drohenden Energiekrise bei („grünem“) Atomstrom und LNG-Gas. Hier hatten einige Länder mit einem hohen Anteil an Atomstrom bereits Ende 2021 dafür gesorgt, dass die EU-Kommission beide Energieträger in die Taxonomie aufnahm. Dies zeigt, wie stark die Umsetzung der ESG-Regeln von nationalen Interessen beeinflusst wird und wie schwer es daher auch sein wird, einheitliche für alle in Europa geltende Regeln zu finden.
Wir bei APUS Capital richten uns daher auch weiter nach unseren internen Ausschlusskriterien aus. Darüber hinaus beschäftigen wir uns natürlich intensiv mit den EU-Vorgaben und ihrer praktischen Umsetzung. Dass es hierbei häufiger zu Frustrationserlebnissen kommt, überrascht nach dem oben gesagten nicht wirklich. So ist es aufgrund der fehlenden Ratings für kleine und mittlere Unternehmen aktuell nicht möglich, den APUS Capital ReValue Fonds als Kategorie 8 Fonds auszuweisen. Hierbei hilft es auch nicht, dass zahlreiche im Fonds enthaltene Unternehmen unter ESG-Gesichtspunkten sehr positiv zu sehen sind.
Sehr geehrte Investierende und Freunde/Freundinnen von APUS Capital,
Nicht, dass Sie uns falsch verstehen. Wir begrüßen den Ansatz der EU, nachhaltige Investments zu fördern. Wie immer liegt das Problem in der praktischen Umsetzung, zumal hier zahlreiche Interessen aufeinanderstoßen. Auch wird das Thema Nachhaltigkeit als neues „Zauberwort“ der Investmentbranche von einigen Marktteilnehmern gnadenlos für Marketingzwecke missbraucht. Mit der oben bereits erwähnten Verordnung, dass ab 2024 auch kleine und mittelständische Unternehmen einen Nachhaltigkeitsbericht veröffentlichen müssen, wächst bei uns natürlich die Hoffnung auf ein baldiges Ende einer ineffizienten Informationsstruktur. Auch werden in vielen Bereichen sicher einheitliche Auslegungen der ESG-Regeln folgen. Dabei bleibt nur zu hoffen, dass es bei der europaweiten wie nationalen Umsetzung nicht zu neuerlichen Überregulierungen kommt. Wenn dies gelingt, stehen die Chancen nicht schlecht, dass wir Investoren mit unserem Verhalten etwas Gutes tun und damit die Welt etwas besser und lebenswerter machen. So würden einer guten Absicht auch gute Taten folgen!
Sehr gerne laden wir Sie zu einem Besuch unseres Messestands am 20. Fonds professionell Kongress in Mannheim in der kommenden Woche ein. In neuem Design aber auf gewohntem Platz (Ebene 1 im Musensaal Stand 149) steht Ihnen unser Team am 21. und 22. Juni zu persönlichen Gesprächen zur Verfügung.
Eine APUS-Vortragsveranstaltung gibt es am zweiten Tag des Fondskongresses. Johannes Ries spricht am 22. Juni 2022 um 10:35 Uhr in Saal 1, zum Thema „Wandel durch technologische Megatrends“. Wir freuen uns auf Sie, auf gute Gespräche und einen erfolgreichen Fondskongress 2022!
Mit besten Grüßen von den Mauerseglern aus Frankfurt!
Dr. Wolfram Eichner, Jürgen Kaup, Stefan Meyer, Johannes Ries, Harald Schmidt, Dr. Roland Seibt und Heinz-Gerd Vinken